(09.06.2022)

Dass Wiese nicht gleich Wiese ist, ist uns allen ja klar. Aber wie schön anzusehen und vor allem Lebensraum und Ernährungsgrundlage bietend für Insekten u. Co. eine Wiese sein kann, wenn man nicht wöchentlich mit dem Rasenmäher drüberkrawallt, zeigt das Foto vom "Stückle" eines Freundes, das sich am Rande der Schwarzwaldsiedlung befindet. Er hat sein ok für die Veröffentlichung des Bildes gegeben, möchte aber nicht namentlich genannt werden.
Ganz bewusst läßt er im Frühsommer das Gras mit seinen Blumen und Kräutern wachsen. Gemäht wird erst, wenn das Blütenfeuerwerk vorüber ist, und dann mit der Sense oder mit dem Balkenmäher. Das ist sicher aufwendiger als mit dem Mulchmäher, zumal das lange Mähgut dann weggebracht werden muss. Aber was tut man nicht alles, um der Natur zu ihrem Recht zu verhelfen.
Selbstverständlich wird das Streuobst auf dem Stückle auch nicht gespritzt, da nimmt man lieber mal einen Wurm im Apfel in Kauf!
Wildwuchs
Gelangweilt von symmetrischen Gärten
und sauber-steriler Natur, aufgeschreckt
durch Schneckentod und feindosierte
Chemie im Kampf gegen Läuse aller Art,
erwarb ich einen Garten.
Ließ dem Wachstum seinen Lauf und
legte Teiche an. Bemerkte bald schon voll
Staunen: Libellenflug und Froschkonzert,
Binsen, Rohrkolben, Seerosenpracht,
namenlose, duftende Vielfalt. Selbst
Eidechsen fühlten sich wohl auf der
zerbröckelten Mauer.
"Legt ihm das Handwerk", raunen die
Nachbarn. "Sein Unkraut wird uns
gefährlich, und all diese Tiere sind nichts
als eine Belästigung. Man wird es
verbieten müssen."
Doch sie verschwinden bald hinter dem
Wildwuchs der Hecken, und ihr Gezänk
verliert sich im Vogelgesang.
Vielleicht bleibt morgen einer stehen und
gerät ins Grübeln vor meinem Garten.
Conrad Miesen
Der Text soll auf einen vielseitigen Autor aufmerksam machen. Lyrik, Kurzprosa, Hörspiele, Essays. Zahlreiche Veröffentlichungen. Mehr in Internet-Suchmaschinen unter dem Suchwort "Conrad Miesen".